# 49. Brands, Love & Customership

Warum wird die emotionale Beziehung – Liebe – zu Marken in Frage gestellt?

Auf LinkedIn bin ich mal über die Behauptung einer »Expertin in Marketing-Wissenschaft« gestolpert: »es [sei] wissenschaftlich erwiesen, dass das Gehirn Beziehungen zwischen Menschen und Objekten nicht neuronal als ›Liebesbeziehungen‹ jeglicher Art abbildet. […] Vielmehr beruht die Zuneigung zu einer Marke auf dem Grad ihrer subjektiven Relevanz, also auf der Erfüllung individueller, impliziter Ziele. Dies kann dann als Marken-›Beziehung‹ bezeichnet werden. Aber es ist keineswegs Liebe. Deshalb ist es auch ein sinnloses Markenziel, eine Love Brand zu werden.«

Diese Behauptung ist substanzlos, da es keine »wissenschaftlich« eindeutige Beweise gibt, dass das Gehirn keine Liebesbeziehung zu Marken (Love Brands) entwickelt. Abgesehen davon, dass Gehirne individuell sehr unterschiedlich sind (wenn auch strukturell ähnlich) bietet die Hirnforschung zu dieser Frage nur sehr unscharfe Erkenntnisse. Diese werden überwiegend über bildgebende Verfahren (fMRT – funktionelle Magnetresonanztomographie) begründet, die mit der aktuell verfügbaren Technologie nur einen Teil der Gehirn-Aktivitäten überhaupt erfassen und auch nicht eindeutig definieren. (Siehe Felix Hasler »Neuromythologie: Eine Streitschrift gegen die Deutungsmacht der Hirnforschung« 2012.)

Die Hirnforschung konzentriert sich überwiegend auf die Beobachtung und Untersuchung des Kopf-Gehirns. Das evolutionshistorisch ältere (Bauch-)Darm-Gehirn (das wesentlich mehr Nervenzellen hat) und deren biochemischen und -physikalischen Vernetzungen im gesamten Körper, werden hier kaum berücksichtigt. (Siehe Daniel C. Dennett »Von den Bakterien zu Bach – und zurück: Die Evolution des Geistes« 2018.) Das Hormonsystem wird neben dem Kopf-Gehirn insbesondere durch das (Bauch-)Darm-Gehirn gesteuert, wie zum Beispiel bei der Erzeugung der Glückshormone Serotonin und Dopamin, die unsere Emotionen – wie Liebe – beeinflussen.

Nur Love Brands können nachhaltige Liebesbeziehungen zur wichtigsten sozialen Dichtezone (Kundschaft) erzeugen!

Da die Neurowissenschaft nur unscharfe Erkenntnisse zur Entwicklung von Liebesbeziehungen liefern kann, sind die Psychologie und Soziologie (hier insbesondere die Systemtheorie und die Akteur-Netzwerk-Theorie) klarer und eindeutiger. Die Akteur-Netzwerk-Theorie beschreibt, dass Beziehungen nicht nur zwischen Subjekten, sondern auch zwischen Subjekten und Objekten entstehen. Diese Beziehungen können emotional sein, was zum Beispiel als Liebe (oder Haß) empfunden wird. In der Psychologie ist das belastbares Wissen.

Die darauf aufbauende Markensoziologie und deren Definition der »Sozialen Dichtezonen« (siehe »# 38.«) begründen dies: Die ökonomisch wichtigste Dichtezone – die Kundschaft – ist von einer sich bejahenden Verbundenheit geprägt. Sie ist mehr als die Summe der Kunden, ist ein vernetzter sozialer Zusammenhang eigner Art, bleibt im Wechsel ihrer Elemente erhalten, ist Träger des öffentlichen Vertrauens in die Marke, ist preisunsensibel, vermehrt sich selbsttätig durch Anziehungskraft, ist der Vererbungsorganismus der Marke, gewährleistet höchste unternehmerische Effizienz und Durchsetzungskraft – getragen durch die starke Emotion der Liebe. Daher bereichern »Love Brands« unser Leben, weil sie »auf der Loyalitätsleiter ganz oben stehen […], sozialer Status und Leidenschaft [sind] die wichtigsten Treiber für die Kundenbindung«. (Siehe Ruedi Alexander Müller-Beyeler & Heiner Butz »Das Unternehmen, die Marke und ich: Unternehmen durch Marken führen« 2016.)

Da Marketing eine operative Methode (unterhalb der strategischen Markenführung) und keine Wissenschaft ist (die von der Philosophie, Psychologie, Soziologie und Ökonomie getragen wird), verstehen Marketing-Experten offensichtlich wenig vom Brand Management.

Ich denke und empfinde, dass nur Love Brands emotional nachhaltige Bindungen erzeugen, durch: »Physical Attraction, Chemial Reaction!«

jk 27. Juni 2024

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