# 09. Möglichkeitsräume
Wie können Möglichkeitsräume die Wirklichkeit erweitern?
Wie in den letzten Kolumnen zu realistischen Utopien (# 06.), zum richtigen Leben (# 07.) und zur Wahrheit (# 08.) bereits angesprochen, führt der in unserer Gesellschaft dominierende Wirklichkeitssinn zu einer starken Behinderung unserer Wahrnehmung, mit der Folge, dass wir unseren Möglichkeitsinn unterschätzen und nicht nutzen.
Die politisch unterstellte »Alternativlosigkeit« ist ein ideologisch motivierter Anspruch auf eine »angeblich unumstößliche« Wahrheit, die der Erhaltung von Machtinteressen und der damit verbundenen Kontrolle und Manipulation dienen. Dies gilt im übertragenen Sinn auch für den ökonomischen Bereich, wie zum Beispiel der Berufsausübung und den selbstständigen / unternehmerischen Aktivitäten. Hier überwiegen ebenfalls Wirklichkeiten in Form von traditionell eingeschränkten Berufsbildern und in ihrer zukunftsfähig begrenzten Businessmodellen. Ähnlich verhält es sich mit den allseits beliebten Praxis-Tipps und Best-Practices. Sie sind generell subjektiv, erheben aber den Anspruch auf Objektivität und schränken ebenfalls die Wahrnehmung ein. Darüber hinaus verlieren diese mit fortschreitender Zeit immer mehr an Bedeutung (ihre »Halbwertzeit« ist daher relativ gering).
Eigene Erfahrungen und ständige Weiterbildung ist sehr hilfreich, um nicht nur den Horizont zu erweitern, sondern auch ein Blick für die zahlreich sich bietenden Möglichkeiten zu entwickeln. Wenn man aufmerksam und offen dafür ist, nimmt der individuelle Nutzen immer mehr zu.
Das in # 07. Richtiges Leben bereits zitierte ethische Imperativ des Physikers Heinz von Foerster ist eine – für das eigene Selbstverständnis und die individuelle Selbstständigkeit – sinnfällige Maxime: »Handle stets so, dass die Anzahl der Möglichkeiten wächst.« Nur so lassen sich die Möglichkeitsräume erweitern.
Möglichkeitsräume schaffen individuelle Alternativen!
In global-pandemischen Zeiten wie diesen – in denen Freiheiten, Gewohnheiten und Handeln tiefgreifend verändert, Lebens- und Geschäftsmodelle in Frage gestellt, rational-sachliche Fragen der Wirklichkeiten und emotional-beziehungsbezogene Fragen der Möglichkeiten schwer zu beantworten sind – ist Bildung ein wichtiger Schlüssel zur Entwicklung von Lösungsansätzen.
Allerdings steht in den Schulen die praxisrelevante und zweckgebundene Ausbildung im Vordergrund. Bildung hingegen ist nicht zweckgebunden, sie ist auf die Entwicklung von Persönlichkeit ausgerichtet. Hier geht es nicht um die maximale Akkumulation von Wissen, sondern um die Fähigkeit der Interpretation und Reflexion – also um Vorstellungskraft. So wie Albert Einstein es in einem Aphorismus formuliert hat: »Das wahre Zeichen von Intelligenz ist nicht das Wissen, sondern die Vorstellungskraft.« Die Fähigkeit, sich etwas vorstellen zu können, öffnet Raum für Möglichkeiten. Bildung bedeutet auch, in der Lage zu sein, sich in andere Disziplinen und Wissensgebiete hineinzuversetzen, diese vergleichen und bewerten zu können. Dazu gehört ebenso die Fähigkeit, Perspektiven zu wechseln und verschiedene Sichtweisen einzunehmen.
Möglichkeitsräume eröffnen sich immer aus einer individuellen Bildungsperspektive. Es beginnt mit der aktiven Analyse der Situation (Fragen / Probleme) und Entwicklung verschiedener Ideen (als gedachte fiktive Szenarien), wird fortgesetzt mit der Strukturierung der Ideen in Form von Konzepten und der Definition von Strategien (in alternativen Modellen) und mit der Festlegung von Maßnahmen – als Entwürfe – vorläufig abgeschlossen. Vor der Umsetzung werden diese bewertet, um das attraktivste und mögliche Szenario auszuwählen.
Ich weiß aus eigener Beobachtung und Erfahrung, dass, um sich Möglichkeitsräume in dieser Vorgehensweise zu erschließen, idealerweise »Kluge Fragen« gestellt werden.
jk 25. September 2020
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