# 22. Mehr Bildung
Warum brauchen wir allgemeine (zweckfreie) Bildung mehr als spezielle (zweckgebundene) Ausbildung?
Nochmal Albert Einstein: »Die Theorie bestimmt, was wir beobachten können.« [sic!] Theorie vor der Praxis? Ja und nein! Ja, wenn es darum geht, sich mit neuen Kontexten vertraut zu machen. Nein, wenn experimentiert wird und Probieren über Studieren geht. Also beides – parallel / gleichzeitig – sinnfällig abwechselnd.
Das muss gelernt sein / werden. Und Lernen muss man lernen. Das beginnt mit der neugierigen Suche – gezielt oder zufällig. Geht weiter mit Wahrnehmen, Erkennen, Analysieren, Begreifen und Verstehen. Wird abgerundet mit Reflektieren und Interpretieren. Das führt zur Selbsterkenntnis – nachhaltig!
Das Selbst als Ausgangspunkt aller Erkenntnisse, zur Förderung des Selbstbildes, des Selbstverständnisses, der Selbsteinschätzung, der Selbstsicherheit, der Selbstkontrolle, der Selbstverantwortung, der Selbstständigkeit und der Selbstwirksamkeit.
Persönliche Fähigkeiten und Kompetenzen entwickeln sich insbesondere aus einer allgemeinen Bildung, als Grundlage für eine fachspezifische (handwerkliche) Bildung. Die fachspezifische Bildung sollte durch komplementäre Kompetenzen erweitert werden. Für eine designrelevante Ausbildung (handwerklich / akademisch) wäre die Mikroökonomie (Betriebswirtschaft) relevant, hier insbesondere das Management. Dazu ist die Makroökonomie (Volkswirtschaft) eine notwendige Ergänzung, hier insbesondere die Sozialsysteme und die verschiedenen Ausprägungen des Kapitalismus. Die Verhaltensökonomie – als eigenständige Teildisziplin der Ökonomie – ist sinnvoll, um die (neuro-)psychologischen Hintergründe erfassen zu können. Und um die Ökonomie in einem wichtigen Zusammenhang zu sehen, ist die Politik ein weiterer Bereich, damit Hierarchien und Machtverhältnisse erkannt werden – hier insbesondere die Verfassungsformen und Regierungssysteme.
Die allgemeine (zweckfreie) Bildung sollte möglichst viele wissenschaftlichen Disziplinen umfassen!
Für designrelevante Berufe sind die soziale Anthropologie, die Linguistik und die kognitive Psychologie wichtig. Tom Kelley und David Kelley schreiben in ihrem Buch »Creative Confidence« (2013): »At IDEO, we hire design researchers with social science backgrounds and advanced degrees in fields like cognitive psychology, anthropology, or linguistics, people who are sophisticated at gathering and synthesizing insights from interviews and observations.«
Ganz allgemein – und nicht nur für designrelevante Berufe – ist die Philosophie sehr hilfreich, um nicht nur ästhetische, ethische und moralische Fragen zu behandeln, sondern auch, um zu lernen, wie Fragen klug und richtig gestellt werden. Die Psychologie und die verwandte Neurologie sind weitere Disziplinen, die für das Analysieren und Erkennen von persönlichen Charaktereigenschaften und Verhaltensweisen bedeutend sind. Die Soziologie, die die Ökonomie einschließt, ist als theoretische Grundlage für das Miteinander und den Austausch sehr hilfreich. Hier sind die Systemtheorie der Gesellschaft und die Akteur-Netzwerk-Theorie besonders interessant – speziell für designrelevante Berufe. Die Rechtswissenschaften sind eine weitere wichtige Ergänzung zu den vorgenannten Disziplinen, insbesondere in Bezug auf die Rahmenbedingungen in der Politik und die Codierung des Kapitals.
Der hier gewählte Schwerpunkt in den Geisteswissenschaften soll die Naturwissenschaften nicht geringer schätzen, sondern als unabdingbare Voraussetzungen dafür gesehen werden, um die Folgen technischer Entwicklungen absehen zu können. Die Kybernetik (zweiter Ordnung) kann hier eine hilfreiche Verbindung herstellen.
Ich beobachte, dass die allgemeine (zweckfreie) Bildung für die Selbstständigkeit sehr wichtig ist, weil die Akteure damit eine identitätsbasierte »Persönlichkeit« für sich definieren können.
jk 17. August 2021
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