# 14. Innovationen

Wie können Innovationen weniger zur Erneuerung und mehr zum barrierefreien Denken genutzt werden?

Unsere von Innovationen getriebene Wirtschaft und Wissenschaft hat zweifelsohne zur Verbesserung unserer Lebensbedingungen beigetragen und die Entwicklung unseres hohen Lebensstandards ermöglicht. Vieles davon wollen (und können) wir nicht mehr missen. Allerdings hat das Mantra Innovation auch unzählige Kollateralschäden erzeugt, wie zum Beispiel die Ressourcen-Ausbeutung, Energie-Verschwendung und Klima-Veränderung. Vor diesen Hintergründen wird das Streben nach »schöpferischer Zerstörung« und »Disruption« zur Falle und verschlechtert unserer Lebensbedingungen.

In dem politischen und wirtschaftlichen Streben nach Innovation ist aber auch ein offensichtlicher Gegensatz zu beobachten: Die Angst vor dem Risiko und der tiefliegende Wunsch nach Risikovermeidung – am besten soll alles so bleiben wie es ist. Dass dies im Widerspruch zur Evolution steht, wird dabei übersehen. Man beruft sich oft auf Bekanntes / Vertrautest oder sogar Tradition. Aber: »Tradition is the illusion of permanence!«, so eine treffende Feststellung, die der amerikanisch Filmregiseur Woddy Allen einem seiner Charaktere in den Mund gelegt hat (in »Deconstructing Harry«, 1997).

Die Innovations-Motivation und die Risiko-Aversion erzeugt einen unreflektierten Aktionismus und eine ignorierte Denkblokade – nach dem Motto »je weniger Denken, um so mehr Aktionismus«.

»Vielleicht ist es besser, statt mit den Sozialingenieuren und Revolutionären nach vorn zu stürmen, einfach mal sitzen zu bleiben und nachzudenken. Vielleicht ist das eine echte Innovation: Versöhnung und Ausgleich mit dem Neuen statt das ewige Gerede von Zerstörung und Revolution, dem Kammerton der ewigen Drohung.« So der Journalist Wolf Lotter in seinem Buch »Innovation – Streitschrift für barrierefreies Denken« (2018).

Eine Innovation im reflektierten Denken führt dazu, Routinen in Frage zu stellen und Raum für Experimente zu öffnen!

»Innovationen brauchen Geduld und Ausdauer, Kommunikation und Konsens, eine demokratische Grundlage also.« – schreibt Wolf Lotter weiter. Er meint auch, dass man mehr Menschen mit »klarem Blick, neugierig und nüchtern, optimistisch« braucht und weniger »leidenschaftliche Helden«. Die Innovations-»Romantik der Start-ups, der Rebellion, des Zerstörers, Überwinden, Kämpfens, Revolutionierens« bezeichnet er als »lächerlich« und »aufgesetztes Pathos, das ein pubertäres Bild von Innovation geprägt hat«.

Mit Innovation ist vielmehr Entwicklung verbunden, die qualitatives Wachstum anstrebt und nicht »immer mehr«. Das erfordert Kreativität, Phantasie und Vorstellungsvermögen, als Grundlage für das Erkennen, das dem Begreifen und Ermöglichen vorausgeht – um sich »Möglichkeitsräume« zu erschließen (wie in »# 09.« beschrieben). Damit sind Zweifel verbunden, die konstruktiv nach Alternativen fragen, da es ein alternativloses Denken nicht gibt.

Innovation setzt Bildung und Kreativität voraus, die es erfordert, dass das schnelle Denken durch das langsame Denken hinterfragt werden muss. Das hat der amerikanische Kognitionspsychologe und Wirtschafts-Nobelpreisträger Daniel Kahneman in seinem Buch »Thinking, fast an slow«, 2011 (dt.: »Schnelles Denken, langsames Denken«, 2012) zur Verhaltensökonomie umfassend analysiert und beschrieben. Das schließt auch die sozialen Kompetenzen der Selbstermächtigung, Selbstbestimmung und Selbstverantwortung mit ein. Diese sind Voraussetzung für die Selbstfindung und Selbstverwirklichung. Das braucht Wissen und vor allem Vorstellungskraft, um Zusammenhänge erkennen zu können.

Ich verstehe Innovation als die Fähigkeit Fragen zu stellen (wie in »# 10. Kluge Fragen« beschrieben) und Kontexte zu beobachten und zu interpretieren, um »Zusammenhänge« zu verstehen.

jk 11. Dezember 2020

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