# 13. Unternehmer-Kreativität

Wie ist die Unternehmer-Kreativität als Modus der Fremdführung und der Selbstführung zu bewerten?

Das in der Kolumne »# 12.« bewertete »Unternehmer-Selbst« bezeichnet der (dort bereits erwähnte) Soziologe Ulrich Bröckling in seinem Buch »Das unternehmerische Selbst – Soziologie einer Subjektivierungsform« (2007) als »Zivilreligion« des Glaubens »an die schöpferischen Potenziale des Individuums«. Er zielt damit auf die Kreativität, die die Lösung für ein Problem verspricht, da der Begriff Kreativität positive Assoziationen weckt. »Wie jede Religion lässt sich auch die der Kreativität unschwer als Ideologie entlarven – als Antwort auf die Innovationszwänge kapitalistischer Modernisierung […]: als Reflex ökonomischer Notwendigkeiten.« Der Ruf nach Kreativität ist »eine Weise des Einwirkens auf andere und sich selbst« und damit »ein Modus der Fremd- und Selbstführung«. Soweit zur soziologischen Definition.

Aus psychologischer Sicht ist Kreativität eine natürliche und angeborene Fähigkeit aller Menschen zur »Selbstführung«. Allerdings wird bei vielen während der Erziehung und Bildung die angeborene Kreativität zunehmend diszipliniert und behindert, da Unterordnung und damit die »Fremdführung« in unserer Gesellschaft verschleiert dominiert. Die allseits hochgelobte und sogar geforderte Kreativität, als Voraussetzung für sowohl abhängig Beschäftigte als auch selbstständig und unternehmerisch Tätige, mutiert damit zur Norm gelenkter Freiheit – Kreativität ja, aber nur so viel wie toleriert.

Die ökonomischen Bestimmungen unternehmerischen Handelns fordern Kreativität, um durch Innovationen Wettbewerbsvorteile zu erreichen. Kreativität dient nicht nur Produkten und Dienstleistungen, sondern auch als Standortfaktor der Informations- und Wissensgesellschaft. Der in diesem Zusammenhang gefeierte Aufstieg der kreativen Klassen führt dazu, dass die sogenannte »Kreativwirtschaft« (mit ihren selbstähnlichen Teilbranchen) aufs Podest gehoben und dort dann auch ziemlich allen gelassen wird.

Unternehmer-Kreativität kann von anderen ausgenutzt und für sich selbst genutzt werden!

Aus ökonomischer Sicht hat Kreativität ihren Preis, daher sind Investitionen in das Kreativ-Potenzial abhängig von sinkenden Investitionskosten oder erwarteter Gewinnsteigerung. Das regelt der Markt: steigt die Nachfrage, erhöht sich der Gebrauchswert*; sinkt die Nachfrage, fällt der Tauschwert* (* in der Kolumne »# 05. Wert-Ab-)Schöpfung« erläutert). Das lässt sich zurzeit durch die Folgen der Corona-Krise sehr gut beobachten. Von der Krise sind allerdings nicht nur kreative Berufe betroffen, diese aber besonders stark.

Wenn man die derzeitigen Fördermaßnahmen für Corona-Betroffene und speziell die für die »Kreativwirtschaft« betrachtet, werden erhebliche Lücken deutlich, die auf eine nachlassende Motivation bei den verantwortlichen Institutionen, sich zu engagieren, hinweisen. Nicht nur das, auch die nun schon über zehn Jahre geförderte »Initiative für die Kreativwirtschaft«, erweckt zunehmend den Verdacht, dass die Kreativen eher ausgenutzt werden als dass sie davon selbst Nutzen haben.

Unternehmer-Kreativität für sich selbst zu nutzen ist für alle, die die damit verbundenen Risiken (motiviert oder gezwungen) eingehen, das primäre Ziel. Diese zwingend notwendigen egoistischen (mikroökonomischen) Ziele schließen den gemeinnützigen (makroökonomischen) Nutzen für die Gesellschaft mit ein und sind auch die Voraussetzung dafür. Nur so kann Wertschöpfung entstehen und Wertabschöpfung verhindert werden. Das braucht unter anderem auch »Möglichkeitsräume« (wie in der Kolumne »# 09.« näher ausgeführt).

Ich sehe zur Selbstnutzung der Unternehmer-Kreativität, in unserer wettbewerbsorientierten Gesellschaft, die vielfältigen Möglichkeiten zur Entwicklung von »Innovationen«, die nicht nur einer ständigen Erneuerung dienen, sondern vielmehr ein freies Denken, mit der Bereitschaft zur Infragestellung und zum Experiment, zum Ziel haben.

jk 27. November 2020

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