# 28. Entscheidungskontrolle

Wie können wir in einer digitalen Welt die Kontrolle behalten und die richtigen Entscheidungen treffen?

In Folge der Digitalisierung drängen sich einige Fragen auf – beispielsweise ob wir einem geheimen Algorithmus, den Social-Media-Plattformen und deren Überwachung vertrauen können. Diese und weiteren Fragen hat der renommierte Psychologe Gerd Gigerenzer analysiert – in seinem neusten Buch »How to Remain in a Smart World«, 2022 (dt.: »Klick – Wie wir in einer digitalen Welt die Kontrolle behalten und die richtigen Entscheidungen treffen«, 2021).

Einleitend weißt er darauf hin, dass im Rahmen der populären Diskussion über die sogenannte »Künstliche / Artifizielle Intelligenz (KI / A.I.)« und der damit verbundenen Befürchtung, »Maschinen werden bald alles besser machen als Menschen«, diese als Schlussfolgerung falsch ist. »Der Grund ist, dass Computer für bestimmte Probleme hervorragend geeignet sind, für andere nicht. […] Wenn die Umgebung stabil ist, kann KI Menschen übertreffen. […] Doch wenn es zu Überraschungen kommt, kann Big Data […] uns in […] in die Irre führen.« Programme, wie »Deep Blue« von IBM und »AlphaZero« von Google, stützten sich auf massive Rechenleistungen beziehungsweise tiefen neuronalen Netzen und haben nichts mit »Künstlicher Intelligenz« zu tun. Daher wird hier häufig von Automatischer Entscheidungsfindung (ADM – Automated Decision-Making) gesprochen.

Zur wichtigen Frage der Transparenz führt Gerd Gigerenzer aus: »Ein ›Blackbox-Algorithmus‹ ist ein Algorithmus, der nicht transparent ist, entweder weil er geheim gehalten wird oder weil er so kompliziert ist, dass ihn die Nutzer nicht verstehen.« Das führt konsequent dazu, dass wir bei allen automatisierten Bewertungen, Empfehlungen, Entscheidungen, Scores, Überwachungen und Verhaltensteuerungen auf »aussagekräftigen Informationen über die involvierte Logik« angewiesen sind (wie von der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) verlangt).

Die Privatsphäre zu schützen ist eine unabdingbare Voraussetzung für die persönliche Entscheidungskontrolle!

Gerd Gigerenzer weißt auch auf das »Privatspähren-Paradox« hin und führt dazu aus: »Dieselbe Person, die behauptet, sich um die Privatsphäre [zu] sorgen, ist nicht bereit, einen Cent für sie zu bezahlen. Stattdessen gibt sie ihre privaten Daten auf sozialen Medien und anderen Plattformen preis, ohne einen Gedanken daran zu verschwenden. […] Wenn man sie [fragt], lautet eine typische Antwort: ›Ich habe nichts zu verbergen.‹« Wer nichts zu verbergen hat, ist völlig durchschaubar und leicht zu manipulieren. Die bequeme Digitaltechnologie verleitet dazu, dass die Überwachung und Manipulation einfach hingenommen wird. Die persönliche Entscheidungskontrolle wird damit massiv behindert.

Persönliche Entscheidungskontrolle setzt voraus, dass digitale Nutzung mit Geld bezahlt wird und nicht mit Privatsphäre. Unsere Privatsphäre ist sehr wertvoll (was man an den hohen Profiten der Plattformbetreiber ablesen kann) und ungleich wertvoller als alle digitalen Services. Dem liegt das ökonomische Prinzip zugrunde: Wenn etwas sehr günstig ist (wenig / nichts kostet), ist etwa anderes dafür sehr teuer! Teuer ist die abnehmende Bereitschaft Dienstleistungen (jeglicher Art) angemessen oder überhaupt zu bezahlen und der daraus resultierende Verlust an wirtschaftlich tragbaren Dienstleistungsberufen. Teuer ist auch die Beeinflussung unseres Verhaltens, mittels »Big Nudging« (eine Kombination von Big Data / Digitaltechnik mit Nudging – versteckter Manipulation). Es kann nicht nur unser Konsumverhalten beeinflussen, sondern auch unsere Freiheit massiv einschränken, mit im Extremfall totalitären Verhältnissen.

Ich bin überzeugt, dass Privatsphäre ein schutzbedürftiges Gut ist und wir sie unbedingt verteidigen müssen. Diese wird durch den digitalen Wandel nicht nur negativ beeinflusst, er bietet auch Chancen und Perspektiven für die »Freiheit« wie wir in Zukunft arbeiten werden.

jk 17. Juni 2022

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