# 05. Wert-(Ab-)Schöpfung

Wie lässt sich Wertschöpfung von Wertabschöpfung unterscheiden und wer verursacht die parasitäre Wertvernichtung?

Wertschöpfung entsteht durch die Bereitstellung menschlicher, materieller und immaterieller Ressourcen, um damit neue Güter und Dienstleistungen zu produzieren. Wertabschöpfung (Extraktion) konzentriert sich auf den Handel mit existierende Ressourcen und Outputs, um diese hin und her zu schieben und daraus einen unverhältnismäßigen Gewinn zu erzielen.

Der Finanzsektor hat sich auf das Wachstum wertextrahierender Spekulationen konzentriert – die gierige Jagd nach kurzfristigen Erträgen und die unverdiente Abschöpfung durch Renten.

Die Realwirtschaft (Großunternehmen) hat sich immer mehr auf das Shareholder-Value konzentriert – also weniger in Forschung und Innovation investiert, die Vergütungen des Managements irrational erhöht und das Lohnniveau der Mitarbeiter stagnieren lassen.

Die Innovationswirtschaft (digitale Plattformen) hat sich vor allem auf Wertextraktion konzentriert – durch: die Interaktion des Finanzsektors mit dem technologischen Schöpfungsprozess; die Art, wie sich das System geistigen Eigentums durch unproduktives Unternehmertum entwickelt hat; die mangelnde Spiegelung des kollektiven Beitrags in den Preisen für innovative Produkte; die charakteristische Netzwerkdynamik, deren Skaleneffekte und Kundenbindung zu Monopolen führen; die Sozialisierung der Risiken und die Privatisierung der Gewinne.

Die britische Innovations-Ökonomin Marianna Mazzucato hat in ihrem Buch »The Value of Everything« 2018 (dt.: »Wie kommt der Wert in die Welt? – Von Schöpfern und Abschöpfern« (2019)) das parasitäre System der Abschöpfung präzise analysiert. Sie plädiert für ein besseres Verständnis für den Wert, um »sich für weniger Wertabschöpfung und mehr Wertschöpfung stark zu machen«.

Wohlstand entsteht durch produktive Wertschöpfung – parasitäre Wertabschöpfung hingegen erhöht die Armut!

Wohlstand ist als soziales Konzept zu verstehen, bei dem es über einen monetären Wert hinaus auch um Werte geht. Wert ist als Prozess zu verstehen, durch den Wohlstand geschaffen wird, in dem reale Dinge wie ein materielles Gut (Produkt) und ein immaterielles Gut (Wissen) entstehen. Wohlstand ist also die Anhäufung bereits geschaffenen Werts.

In den ökonomischen Theorien gibt es unterschiedliche Auffassungen darüber, worin ein Wert besteht. In der klassischen Schule entsteht der Wert eines Produkts durch den Arbeitsaufwand, der zur Herstellung nötig ist, der Art wie technische und organisatorische Veränderungen auf die Arbeit wirken und aus der Beziehung zwischen Kapital und Arbeiter (Tauschwert – moralphilosophische Arbeitswert-Theorie). In der neoklassischen Schule wird der Preis eines Produkts durch Angebot und Nachfrage bestimmt (Gebrauchswert –marginalistische Grenznutzenwert-Theorie). Letzteres dominiert heute, wodurch der Preis zum Indikator für Wert wurde, die Preistheorie den Wert bestimmt und nicht die Werttheorie den Preis.

Die Theorie, dass der Preis den Wert definiere und die Märkte die besten Mittel zur Bestimmung von Preisen seien, hat üble Folgen – wie Marianna Mazzucato ausführt. Wie zum Beispiel die Verwechselung von Profiten und Renten, in unserer Messweise des Wachstums in der gesamtwirtschaftlichen Volksrechnung (dem BIP), die zeigt, dass wir nicht in der Lage sind, zwischen Wertschöpfung und Wertabschöpfung zu unterscheiden, wenn alles, was einen Preis hat, Wert darstellt. Nur eine Wertdebatte lässt uns das Extrahieren von Renten erkennen und dieses seiner politischen und ideologischen Kraft berauben.

Ich möchte dazu ermutigen, sich für eine wertschöpfende Zukunft zu engagieren – in der »Realistische Utopien« die Wirklichkeit um die Möglichkeiten wertschätzender Gesellschaftsentwicklung erweitern.

jk 24. Juli 2020

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