# 27. Entscheidungsfindung

Wie entstehen Abweichungen (Bias) und Zufallsstreuungen (Noise)?

Die Autoren Daniel Kahneman, Olivier Sibony und Cass R. Sunstein beschreiben in ihrem Buch (aus »# 26. Entscheidungen«), wie Prozesse des schnell denkenden »System 1« zu Urteilsfehlern führen und stellen einige Urteilsheuristiken vor (die umfassend in »Schnelles Denken, langsames Denken« dargestellt werden). Heuristiken sind »Vereinfachungsoperationen«, die erzeugt werden, um ausreichende und nützliche Antworten auf schwierige Fragen zu liefern. Manchmal führen sie jedoch zu »systematischen Abweichungen (Bias)«.

»Bias« können psychologisch (als kognitive Verzerrung) oder statistisch (als systematischer Fehler bei Messwerten oder Urteilen) auftreten. Psychologische »Bias« erzeugen stets dann statistische »Bias«, wenn sie weitverbreitet sind. »Prädikative Urteile sind dann verzerrt, wenn Fehler überwiegend Abweichungen in eine Richtung und nicht in die andere sind.« Mitarbeiter die – zum Beispiel – die Zeit für die Fertigstellung eines Projektes schätzen sollen, liegen im Mittelwert ihrer Schätzung in der Regel weit unterhalb der Zeit, die sie tatsächlich brauchen. Dies ist ein »Planungsfehlschluss«.

Die Autoren stellen drei Typen von »Bias« vor: »die Ersetzungsverzerrungen, die zu einer Fehlgewichtung der vorhandenen Informationen führen; Schlussfolgerungsverzerrungen, die uns entweder dazu veranlassen, Informationen auszublenden oder sie auf verzerrte Weise zu verarbeiten; und übermäßige Kohärenz, die die Wirkung des ersten Eindrucks verstärkt und die Auswirkungen widersprechender Informationen verringert. Alle drei Typen von (kognitiven) Bias können selbstverständlich statistisches Bias erzeugen. Und sie können Noise produzieren.« Zusammengefasst: »Psychologische Bias sind ein universeller Mechanismus, und sie erzeugen oft bei vielen Menschen die gleichen Denk- beziehungsweise Urteilsfehler. Aber wenn es große individuelle Unterschiede in den Bias gibt (verschiedene Vorstellungen) oder wenn der Effekt von Bias kontextabhängig ist (verschiedene Auslöser), dann entsteht Noise.«

Wie sich Urteilsbildung zur Entscheidungsfindung verbessern lässt!

Die Autoren schlagen vor: »die (intuitive) Urteilsbildung durch Regeln oder Algorithmen zu ersetzen …«, da diese »Noise« vollständig beseitigen sollen. Allerdings weisen sie auch darauf hin, dass Regeln ebenfalls mit Problemen behaftet sind und Algorithmen das menschliche Urteilsvermögen nicht ersetzen können. In Teil »5« befassen sie sich mit sinnvollen Methoden der Verbesserung von Urteilen. Diese umfassen: von der Auswahl von »Personen mit der besten Urteilskraft«; über eine »Debiasing-Strategie« und »Entscheidungshygiene«, einer »Steuerung des Informationsfluss«, der »Zusammenführung (Aggregierung) mehrerer unabhängiger Urteile«, »Leitlinien für die Urteilsbildung«, einer »gemeinsamen Skala, die auf einer Außensicht basiert« und die »Strukturierung komplexer Urteile«; bis zum »Strukturierten Entscheidungsprotokoll«.

Der Nutzen dieser Strategien ist abhängig von der konkreten Situation in der sie angewandt werden. Als Entscheider sollte man, in jedem Kontext, den wahrscheinlichen Nutzen einer »Strategie der Entscheidungshygiene« und die damit verbunden Kosten, möglichst genau verstehen. Die Kosten der »Noise«-Bekämpfung könnten als zu hoch befürchtet werden, dem oft ein zu großes Gewicht beigemessen wird. Wie zum Beispiel bei der Beurteilung von Mitarbeitern: »… hier kann Noise zu Ungerechtigkeiten gegenüber Mitarbeitern und hohen Kosten für das betreffende Unternehmen führen. […] Fälle eindeutiger Fehlbeurteilungen werden möglicherweise bemerkt und erscheinen als peinlich, blamabel oder Schlimmeres. Trotzdem kommt [man] vielleicht zu dem Schluss, dass sich ausgeklügelte Korrekturmaßnahmen nicht lohnen. [Dies] ist manchmal kurzsichtig, selbstgefällig und falsch – mit eventuell verheerenden Folgen.«

Ich verstehe, dass die Urteilsbildung zur Entscheidungsfindung nicht einfach ist. Insbesondere in Bezug auf die Herausforderungen der digitalen Welt und der hier notwendigen »Entscheidungskontrolle«.

jk 16. Mai 2022

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