# 02. Corona
Werden wir Corona zum Anlass nehmen, die Systemfehler zu beseitigen?
Die Covid-19-Pandemie hat nicht nur einen sich rasend schnell verbreitenden Virus und die daraus resultierende Zunahme der Mortalitätsrate mitgebracht. Sie hat auch offen gelegt, dass unser Gesundheitssystem erhebliche Mängel aufweist und dass zahlreiche »systemrelevante« Berufe unterbezahlt und unzureichend geschützt sind.
Stellt dies unser Wirtschaftssystem nicht ohnehin schon in Frage, kommen auch noch die durch die Exekutiv-Maßnahmen (Ausgangsbeschränkungen, Kontaktsperren und Schließungen) entstandenen dramatischen wirtschaftlichen Folgen, durch Umsatz-, Gewinn- und Einkunftsverluste hinzu. Diese sind nicht nur für die betroffenen Unternehmen, Kulturinstitutionen und deren Mitarbeiter fatal, sondern auch für Freiberufler und Selbstständige (insbesondere im Kultur- und Kreativwirtschaftsbereich).
Viele der Soloselbstständigen sind durch die Exekutiv-Maßnahmen quasi von einem Berufsverbot betroffen, da sie ihrer regulären Tätigkeit nicht nachkommen dürfen. Daher und aufgrund der gesamtwirtschaftlichen Folgen sind Aufträge und Projekte auf unbestimmte Zeit verschoben beziehungsweise aufgehoben worden. Auch wenn die Exekutiv-Maßnahmen schrittweise zurückgenommen werden, wird sich die prekäre Situation für einen großen Teil der Soloselbstständigen auf absehbare Zeit nicht wesentlich verbessern.
Erschwerend kommt hinzu, dass die Fördermaßnahmen (Soforthilfe, Grundsicherung, Kredite et cetera) oft nicht passen oder (weil »mit der heißen Nadel gestrickt«) vorzeitig eingestellt werden müssen, wie zum Beispiel die BAFA »Förderung unternehmerischen Know-hows für Corona-betroffene KMU« – in Folge von »unerwartet« (?) zahlreichen Anträgen und Missbrauch.
Die (nicht nur) durch Corona offen gelegten Systemfehler werden durch Konsumförderung allein nicht behoben werden!
Die Systemfehler sind zahlreich, wie zum Beispiel das schockierende Maß an Ungleichheit, der ungezügelte Konsum mit den Folgen der Ressourcen- und Energieverschwendung und den daraus resultierenden Klimaveränderungen, die durch den Neoliberalismus geförderte Deregulierung und Demokratiekrise, die mangelnde Toleranz und Solidarität, die Diskriminierung von anderen Phänotypen (sogenannten »Rassen«), Ethnien, Migranten, Flüchtlingen, Religionsgemeinschaften, Minderheiten und von Frauen (mittels Sexismus / Misogynie).
Wenn sich nun aktuell die Förderung im Schwerpunkt auf die Konsumbelebung und damit auf das angeblich systemrelevante – quantitative – Wachstum konzentriert, laufen wir nicht nur Gefahr die Chance einer nachhaltigen Systemveränderung ungenutzt zu lassen, sondern verstärken die zahlreichen Systemfehler und daraus resultierenden Probleme noch mehr. Für die Soloselbstständigen bedeutet dies, dass die Zunahme prekärer Verhältnisse der letzten beiden Dekaden beschleunigen wird. Wenn dann nun auch noch die bisherige Förderung eingeschränkt, beziehungsweise deren Zugang erschwert oder sogar verhindert wird, verstärkt sich dieser negative Trend. Die durch die politischen Institutionen oft propagierte Innovationsrelevanz für unsere Wirtschaft und die dafür so relevante Kreativität verkommt zu einer holen Phrase – wenn die die kreativ tätig sind, und damit Innovationen überhaupt erst ermöglichen, im Stich gelassen werden.
Ich bin überzeugt, dass nur eine Behebung der Systemfehler die negativen Entwicklungen aufheben kann. Davon würden alle profitieren, auch die ästhetisch kreative Tätigen in den Kultur- und Kreativwirtschaftsbereichen – indem deren Kompetenzen zu Fehlerbeseitigung genutzt werden. Wir brauchen auch deshalb einen »Green New Deal«.
jk 19. Juni 2020
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